Montag, 1. Juni 2009

Bücher 2009, Teil 5

Im wunderschönen Monat Mai habe ich diese Bücher durchgelesen:

36. Татьяна Толстая. "Кысь" (Tatjana Tolstaja. "Kys")
Diese düstere Antiutopie spielt etwa 300 Jahre nach der großen Explosion. Die Stadt, die damals Moskau hieß, trägt nun den Namen Fjodor-Kusmitschsk nach dem Diktator Fjodor Kusmitsch. Alle Errungenschaften der Zivilisation und Kultur sind vergessen. Aufgrund der radioaktiven Strahlung sind die Einwohner der Stadt Mutanten. Sie ernähren sich von Mäusen, Würmern und ähnlich leckeren Sachen. Die Hauptfigur Benedikt arbeitet als Schreiber - seine Aufgabe ist es, die Erlasse und neuen literarischen Werke des großen Fjodor Kusmitsch abzuschreiben, so daß diese als Bücher verkauft werden können. Was kaum jemand ahnt: die Gedichte und Romane sind in Wahrheit die Hauptwerke der Weltliteratur (Puschkin, Goethe, ...), die Fjodor Kusmitsch in seinem Palast in einer geheimen Bibliothek aufbewahrt und als seine eigenen Werke ausgibt. War im Original doch recht schwer zu lesen. Nicht nur, weil ich inzwischen doch etwas aus der Übung bin. Tolstaja hat den Roman in einer eigentümlichen Sprache geschrieben Die Sprache ist quasi durchgängig "auf alt" gemacht, mit vielen dialektalen Wendungen, altrussischen Verbformen, Diminutiven. Dadurch gewinnt der Roman den idyllischen Tonfall einer russischen Märchenerzählung, der in einem denkbar scharfen Kontrast zum Inhalt steht. Grandios.

37. Daniel Kehlmann. "Ruhm"
"Die Vermessung der Welt" will ich schon seit langem lesen, aber in der Bibliothek ist es dauernd ausgeliehen. Sein neuestes Werk hat mir dagegen der Osterhase gebracht. Nach dem russischen Roman eine schön entspannende Lektüre. Eine Ärztin begleitet einen Schriftsteller auf einer Vortragsreise durch Südamerika und will auf gar keinen Fall als Figur in einem seiner Romane enden. Ein berühmter Schauspieler erhält plötzlich überhaupt keine Anrufe mehr. Ein verwirrter Internetblogger schreibt in einem Forum einen ellenlangen Bericht über seine Begegnung mit einem Schriftsteller. Eine alte Dame ist unheilbar an Krebs erkrankt und reist zum Sterben in die Schweiz. Insgesamt neun Episoden sind in dem Band versammelt, die alle irgendwie miteinander verknüpft sind. Je weiter die Lektüre voranschreitet, desto deutlicher werden die Verbindungen. Da hat das Lesen richtig Spaß gemacht - aber ich war mit dem Buch leider viel zu schnell durch.

38. Stieg Larsson. "Vergebung"
Spaaaaaannnend!!!!!

39. Ian Rankin. "So soll er sterben"
Der 15. Fall von Inspektor Rebus, in dem es um einen ermordeten illegalen Einwanderer und ein verschwundenes Mädchen geht. Und dann werden bei Bauarbeiten in einem Keller zwei Skelette gefunden - das einer Frau und das eines Kindes, bei denen selbst der Pathologe vor Ort nicht bemerkt, daß sie nicht echt sind. Ich glaube nicht, daß ich zu Rankin und seinem Inspektor Rebus noch viel sagen muß. Die Bücher sind einfach spitze.

40. Ian Rankin. "Die Kinder des Todes"
Der 14. Fall von Inspektor Rebus. Ich geb's ja zu, ich hätte mich vielleicht schlau machen sollen, bevor ich mit dem ersten anfange. Aber das andere lag nun mal oben auf dem Stapel, ich griff danach, und dann konnte ich schlecht wieder aufhören. An einer Privatschule hat ein Amokläufer erst zwei Schüler getötet, einen verletzt, und dann Selbstmord begangen. Eigentlich fällt das nicht in Rebus' Gebiet, aber der ermittelnde Inspektor ist einer der wenigen ihm halbwegs gut gesinnten und kann die Erfahrung von Rebus gut gebrauchen. Und Rebus hat in Edinburgh gerade selbst ein ernstes Problem, vor dem er gerne Reißaus nimmt. Auch wieder sehr spannend.

41. Vikram Seth. "Zwei Leben"
Der indische Schriftsteller schreibt eine Biographie seines Großonkels und dessen Frau Henny, bei denen während er seiner Schul- und Studienzeit in England lebte. Shanti Seth kam 1931 nach Berlin, um dort Zahnmedizin zu studieren. Er wohnt bei einer deutsch-jüdischen Familie zur Untermiete und gehört dort bald praktisch zur Familie. Nach seiner Dissertation darf er aufgrund der Rassengesetze nicht mehr in Deutschland arbeiten, und so geht er nach England. Die jüngste Tochter - Henny - kann 1938 im letzten Augenblick nach England ausreisen. Ihre Mutter und Schwester werden von den Nazis ermordet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs heiraten Shanti und Henny beiden in London, wo Shanti mittlerweile seine eigene Praxis aufgemacht hat. Eine bewegende Geschichte, und sehr liebevoll erzählt.

42. John Updike. "The Witches of Eastwick"
Alexandra, Jane und Sukie sind allesamt von ihren Männern geschieden und haben, seit sie sich auf ihr "Frausein" besonnen haben, ihre Hexenkräfte entdeckt. Sie leben in Eastwick, ziehen ihre Kinder auf und haben ab und an eine Affäre mit verheirateten Männern aus ihrer Stadt. Dann zieht der schwerreiche und etwas mysteriöse Darryl Van Horne nach Eastwick und zieht die drei rasch in seinen Bann. Doch als er Jenny heiratet, die Tochter von Sukies Ex-Geliebten (der erst seine Frau und dann sich umgebracht hat), wünschen die drei der jungen Frau den Tod. Hm. Vor Jahren habe ich mal im Fernsehen die zweite Hälfte des Films gesehen, der von der Romanvorlage, wie ich nun rausbekommen habe, erheblich abweicht. Nicht schlecht, das Buch.

43. Truman Capote. "Kaltblütig"
Kein Roman, sondern ein literarisch aufbereiteter Tatsachenbericht. Am 15. November 1959 wurde in dem kleinen Ort Holcomb in Kansas eine vierköpfige Farmerfamilie in ihrem Haus überfallen und erschossen. Die Täter erbeuteten ganze 40 Dollar Bargeld und konnten erst ein paar Monate später identifiziert und gefaßt werden. Capote beginnt seine romanartige Reportage mit dem 14. November, er schildert den Tagesablauf der Farmersfamilie und der Täter (die er im Todestrakt besucht und interviewt hat), er berichtet von der Flucht der Täter und von den Auswirkungen des Verbrechens auf die Gemeinde Holcomb. Fesselnd.

44. Michael Cunningham. "Die Stunden"
Ich liebe diesen Roman!! Vor einem Jahr habe ich ihn schon einmal gelesen, weil ich endlich die Vorlage zu dem Film "The Hours" kennenlernen wollte. 1921 beginnt Virginia Woolfe mit der Arbeit an ihrem neuen Roman "Mrs. Dalloway", macht sich Gedanken über die Handlung und die Titelfigur. 1954 liest Laura Brown, eine Hausfrau in Kalifornien, den Roman und macht sich ebenfalls Gedanken - über Virginia Woolfes Selbstmord, den Roman und ihr eigenes Leben. 1998 plant Clarissa Vaughn in New York eine Party für ihren an AIDS sterbenden Freund Richard, einen berühmten Dichter, der ihr vor Jahren den Spitznamen "Mrs. Dalloway" gab. Eine grandiose Hommage an Virginia Woolfe und den Roman "Mrs. Dalloway". Clarissa Vaughns Tag in New York gleicht fast bis ins Detail (mit ein paar kleineren Anpassungen) dem Tag im Leben von Clarissa Dalloway im Roman. Ein wundervoller Roman, dem ein anderer wundervoller Roman zugrunde liegt, und aus dem ein wundervoller Film geworden ist.

45. Kristiane Allert-Wybranietz (Hrsg.). "Unverhofft streift uns das Glück"
Eine Sammlung von Kurzgeschichten unbekannter Autoren. Es sind Märchen, Gruselgeschichten, Fabeln und Science Fiction unterschiedlicher Qualität. Am besten gefallen hat mir die Geschichte von dem Troll, der sich in die goldenen Haare eines Menschenmädchens verliebt (Andrea Stevens, "Goldhaar"), und die vertauschten Telefonnummern in "Die Telefonkuriere" von Franz Kunert. Angenehme, entspannende Lektüre.

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