Mittwoch, 2. Mai 2007

Bewerbungstraining in Bielefeld

So, und bevor das betreffende Ereignis schon wieder eine Woche zurücklegt, schreibe ich lieber heute schnell was darüber. Es ist schon erstaunlich, daß ich trotz sehr viel freier Zeit nicht dazu komme, einen kleinen Post zu schreiben. Andererseits war ich ja auch schwer beschäftigt: ich habe in der letzten Woche fleißig Japanisch gelernt (Vokabeln und Kanji), Geburtstag gefeiert bzw. so getan als ob (Älterwerden ist nicht unbedingt etwas, das sich zu feiern lohnen würde), ferngesehen, gelesen, Matthias Platzeck gehört, und, äh, viel Zeit mit unproduktivem Nichtstun vergeudet. Aber ich wollte ja vom Bewerbungstraining berichten.

Der Hinweg war wieder einmal eine Sache für sich. Nicht die Fahrt, das war kein Problem. Der Fahrkartenkauf war das Problem. Ich stand um kurz nach sieben in der Eingangshalle des etwas heruntergekommenen Oeynhausener Bahnhofs vor dem Automaten und wollte an selbigem die Fahrkarte kaufen. Und zwar wollte ich eine Tageskarte, mit der ich dann auch in Bielefeld die U-Bahn benutzen konnte. So etwas muß es geben, immerhin hat mein Brüderchen vor zwei Monaten sein Betriebspraktikum an der Bielefelder Uni absolviert und ist da auch mit einer einzigen Fahrkarte ausgekommen. Das war zwar eine am Schalter erworbene Wochenkarte, aber für nur einen Tag müßte es so etwas auch geben. Laut Legende am Automaten brauchte ich zu diesem Zweck ein "Schöne-Fahrt-Ticket", das Hin- und Rückfahrt sowie die Benutzung anderer öffentlicher Verkehrsmittel beinhaltet. Dummerweise gab es dieses Ticket nicht bei der Ticketauswahl. Zuerst habe ich alleine die einzelnen Tasten ausprobiert, diverse Kaufvorgänge abgebrochen und schließlich (hinter mir begann es sich schon zu stauen) meinen Hintermann um Hilfe gebeten. Zu zweit waren wir auch nicht klüger, und schließlich habe ich die Bahn im allgemeinen und die Ticketautomaten im besonderen verflucht und murrend eine Einzelfahrkarte nach Bielefeld gekauft. Und in Bielefeld dann noch eine Einzelfahrkarte für die U-Bahn gekauft.

Ich weiß schon, warum ich meinen Schülern in Japan immer empfohlen habe, um die Ticketautomaten der Bahn einen weiten Bogen zu machen und gleich zum Schalter zu gehen. Wenn Muttersprachler schon an diesen blöden Maschinen scheitern, weil das gewünschte Ticket dort einfach nicht zu finden ist, was sollen dann Ausländer machen, die der deutschen Sprache eben nicht hundertprozentig mächtig sind?!

Und bevor jemand fragt, warum ich nicht einfach zum Schalter gegangen bin: weil der erst ab acht Uhr geöffnet ist, darum.

Jedenfalls habe ich es trotz der Deutschen Bahn pünktlich zur Bielefelder Uni geschafft.


Gut, daß das Seminar nur einen Tag gedauert hat. Länger hätte ich es in dem häßlichen Kasten auch nicht ausgehalten. (Das im Vordergrund ist jetzt nur das Parkdeck, das Unigebäude ist der riesige Kasten im Hintergrund.) Es mag ja praktisch sein und dem interdisziplinären Austausch dienen, alle Fakultäten in einem Gebäude unterzubringen, aber hätte man die Architekten damals nicht auch um etwas Ästhetik bitten können? Inzwischen hat der Bau auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und macht stellenweise einen etwas heruntergekommenen Eindruck. So ähnlich wie der Oeynhausener Bahnhof, nur größer. Da lobe ich mir "meine" Uni. Das Hauptgebäude könnte zwar auch eine Renovierung vertragen, aber es hat zumindest einen eigenen Charme, der dem Bielefelder Monstrum komplett abgeht.

Genug der langen Vorrede, das Bewerbungstraining begann fast pünktlich um kurz nach neun. In einem kleinen Raum drängten sich fünfzehn Teilnehmer, eine Mitarbeiterin des Hochschulteams der Arbeitsagentur Bielefeld und eine Personalberaterin. Die Atmosphäre war locker und entspannt, wozu sicher auch beigetragen hat, daß sich alle anfangs auf das "Du" einigten. Zuerst stellten wir uns alle kurz der Gruppe vor und nannten unsere Gründe für die Teilnahme und die Erwartungen an das Seminar.

Der erste Programmpunkt: "Wer bin ich?" Natürlich konnte diese Frage nicht für alle Teilnehmer in diesem Seminar beantwortet werden. Das ist die "Hausaufgabe", mit der sich jeder zu Hause und in Ruhe auseinander setzen sollte. Hier ging es nur darum, was alles für die Bewerbungen eine Rolle spielt: neben den (fachlichen) Qualifikationen sind die (persönlichen/sozialen) Kompetenzen ebenso wichtig. Welche Ziele habe ich? Was sind meine Werte? Was möchte ich an meinem achtzigsten Geburtstag in der Laudatio von einem guten Freund über mich hören?

Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann man so richtig in die Stellensuche einsteigen, denn wenn ich selbst nicht weiß, wer ich bin und was ich will, kann ich auch nicht abschätzen, ob ich in ein bestimmtes Unternehmen passe - und ob das Unternehmen auch zu mir paßt. Und natürlich muß ich überzeugend und mit wenigen Worten erläutern können, warum ich für das Unternehmen XY die geeignete Mitarbeiterin bin. Dabei reicht es nicht aus, nur mit seinen fachlichen Qualifikationen zu argumentieren, sondern man sollte ruhig auch etwas persönlich werden und die Motivation deutlich machen. Zum Beispiel: "Mein Vater und Großvater sind auch Ingenieure, ich selbst habe mich schon als Kind gerne mit Technik beschäftigt, das ist mir sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen."

Das durften wir dann auch üben. Zwei Minuten zum Nachdenken, dann sollten wir uns vorstellen, einem Personalchef gegenüber zu sitzen und in wenigen Sätzen sagen, warum wir die passenden Kandidaten für den Job sind. Anschließend wurde der Kurzauftritt "auseinandergenommen". Was war gut, was könnte besser rüberkommen, etc. Gar nicht so einfach, sich in wenigen Minuten eine konkrete Stelle vorzustellen. Da war ich im Vorteil, ich habe einfach an das Vorstellungsgespräch morgen nachmittag gedacht (an dieser Stelle die große Bitte an alle: morgen um 14:00 gaaaanz fest die Daumen drücken!) und meine Argumentation darauf abgestimmt. War trotzdem schwer. Ich bin nicht besonders gut darin, mich zu verkaufen. Aber da war ich nicht die einzige in dem Seminar. *g* Es gab allerdings auch einen Teilnehmer, bei dem nicht nur ich mich gefragt habe, warum er dabei war. Der junge Mann machte eher den Eindruck, auch ohne Training auf dem Arbeitsmarkt zurecht zu kommen.

Nach der Mittagspause ging es mit den "Kontaktstrategien" weiter. Fazit: auf Stellenanzeigen zu reagieren, reicht nicht (so weit war ich inzwischen auch schon), man muß auch von sich aus aktiv werden. Sprich: auf Messen gehen, potentielle Arbeitgeber anrufen und nach offenen Stellen fragen. Dabei ist es wichtig, keine Ja-Nein-Fragen à la "Haben Sie eine Stelle für mich?" zu stellen. Offene Fragen sind besser: "Wie sieht es bei Ihnen im Unternehmen im Moment aus?" Und wenn es gar nichts gibt, ruhig auch mal nach Empfehlungen fragen. Die beste Zeit für solche Anrufe ist am späten Nachmittag so ab halb fünf. Dann sind die Sekretariate schon nicht mehr besetzt, man kann nicht so leicht vom Vorzimmerdrachen abgewimmelt werden, und der Ansprechpartner hat sein Tagwerk so weit erledigt, ordnet seine Sachen für den nächsten Tag und ist vielleicht sogar "glücklich" über ein wenig Abwechslung.

Der letzte Punkt: die schriftliche Bewerbung. Hier wurde viel altbekanntes wiederholt (auf die optische Gestaltung und die Rechtschreibung achten, Namen und Adresse richtig schreiben, auf das Anforderungsprofil in der Stellenanzeige eingehen, ...), aber es ergaben sich auch einige neue Erkenntnisse. Man kann ruhig mit der Sprache spielen, Slogans des betreffenenden Unternehmens im Anschreiben aufgreifen und so das Interesse des Lesers wecken. Die von vielen Bewerbungsratgebern propagierte "dritte Seite" zum Lebenslauf, auf der man mit ein paar wohlklingenden Worten seine Persönlichkeit darstellt, muß nicht sein. Entweder es ist wichtig, dann gehört es ins Anschreiben, oder es ist unwichtig und gehört überhaupt nicht in die Bewerbung. Beruhigend zu wissen. Das Gesülze in den Beispiellebensläufen meines Bewerbungsbuches hat mich immer schon genervt. Und man sollte das Anschreiben bloß nicht in Times New Roman schreiben. Schriftarten mit Serifen sind out, Arial (z.B.) ist in, das kann man auf aktuellen Werbeplakaten und Flyern sehr schön sehen. Außerdem entschlacken serifenlose Schriften das Anschreiben. Aha. Und Finger weg von den teuren Bewerbungsmappen und was sonst noch von den Ratgeberbüchern propagiert wird. Am besten sind die Klemmappen. Das dürfen auch die billigen von Aldi sein. Der Grund: ein Handgriff, zwei Sekunden, und der Personaler hat die kompletten Bewerbungsunterlagen in der Hand und kann sie mal eben durch den Kopierer jagen. Und ebenso schnell sind die Unterlagen wieder sauber in der Mappe verstaut. Alles andere kostet Zeit. Die edlen Bewerbungsmappen sind darüberhinaus auch noch unpraktisch, weil man sie erst aufklappen muß, bevor man den Inahlt sehen kann. Auf einem Schreibtisch, wo sich die Bewerbungen gewaltig stapeln, ist das ein ganz großes Manko. Ich war ganz geknickt, weil ich neulich erst fünf der teuren Mappen erworben hatte. :-( Und ganz generell gilt: Klasse statt Masse. In kurzer Zeit hundert oder sogar zweihundert Bewerbungen rauszuschicken, bringt wenig, besser ist es, wenige Bewerbungen paßgenau für das jeweilige Unternehmen (und für mich selbst) zu verfassen.

Fazit: es hat insgesamt Spaß gemacht und war keine Sekunde langweilig. Außerdem habe ich viele neue Anregungen für meine Bewerbungen gewonnen und werde das eine oder andere sicher einarbeiten. Nur mit den serifenlosen Anschreiben kann ich mich nicht so recht anfreunden. Trotzdem werde ich es mal mit einer anderen Schriftart versuchen und es mal mit Garamond probieren. Die hat zwar auch Serifen, sieht aber edler als Times New Roman aus. ;-)

1 Kommentar:

Sabine hat gesagt…

Nimm Helvetica... Serifenschriftarten sind für lange Texte (zB Diplom- oder Magisterarbeiten - ich habe davon einige gelesen) angenehmer, aber für ein einseitiges Anschreiben und evtl. 2 Seiten Lebenslauf langt auch eine schlanke serifenlose Schrift. Times (und auch Garamond - in der hab ich meine DA geschrieben) wirken heutzutage recht altbacken bzw. 08/15 (auch wenn ich Deinen Lebenslauf ganz edel fand, aber nun...). Auch wenn es Dir selbst nicht sooo gut gefällt, probiers doch einfach mal aus. (Lebenslauf und Anschreiben sollten in demselben Stil (d.h. auch Schriftart) sein, aber das muß ich wohl net extra erwähnen, oder?)

Was mich zum Lachen brachte, war die Frage mit dem 80. Geburtstag... ;-) (was auch immer ich zum 80. hören möchte - es wird nichts von Kalle Moik sein!!!)

Drücke Dir die Daumen für morgen!