Montag, 4. Mai 2009

Baumblütenfest

Die Fahrt nach Werder hatte ich mir lange vorgenommen, dann aber doch recht spontan geplant. Dennoch war nicht das der Grund dafür, daß ich für die Hinfahrt über zwei Stunden gebraucht habe. In erster Linie bin ich selbst daran schuld: ich hätte halt eher aufstehen müssen (so wie ich es eigentlich auch geplant hatte ... *tüdelü*).
Jedenfalls kam ich gegen viertel vor elf am Bahnhof Zoo an - um festzustellen, daß ich den Zug nach Werder knapp verpaßt hatte und der nächste erst eine halbe Stunde später fuhr, um 11:12. Hmpf. Nun gut, ich habe die Wartezeit in der Bahnhofsbuchhandlung ganz gut rumgebracht, dann schon mal den Anschlußfahrschein am Automaten gezogen und selbigen fast punktgenau um 11 entwertet. Da stand tatsächlich schon ein Regionalexpreß, und da die Anzeigetafel deutlich sichtbar "Werder" als Fahrtziel verkündete, machte ich es ebenso wie der Großteil der anderen: freute mich darüber, daß der Zug so früh da war und stieg schon mal ein. Einen Sitzplatz gab es nicht mehr, aber eine halbe Stunde stehend kann man ja gut aushalten.
Ich hatte mich kaum halbwegs bequem an die Zugwand gelehnt, da setzte sich die Bahn schon in Bewegung. Um fünf nach elf. Häh? Allgemeine Verwirrung, bis ein Schaffner die Sache aufklärte: nee, das ist nicht der Zug nach Werder. Aber die Anzeigetafel sagte doch?.. Tja, muß ein Fehler gewesen sein. 'tschuldigung. In Michendorf können Sie umsteigen. (Wo zum Teufel ist Michendorf?)
Aber der Zug hielt ja auch noch in Berlin-Wannsee, und weil ich mich daran erinnern konnte, auf dem Fahrplan des von mir gewünschten Zuges was von "Wannsee" gelesen zu haben, bin ich einfach wieder aus dem Zug gehüpft. Der Zug nach Werder kam auch richtig zehn Minuten später in Wannsee an. Die Türen öffneten sich, und mir und den anderen Wartenden schallte ein hämisch-schadenfrohes "Hier paßt keiner mehr rein!" von der Horde junger Männer entgegen, die sardinengleich aneinandergedrückt beinahe aus der Tür gefallen wären. Nein, da ging wirklich keiner mehr rein. Obwohl - im oberen Stockwerk wären noch ein paar Stehplätze frei gewesen. Aber dazu hätten die Leute, die sich im unteren Gang gegenseitig auf die Füße getreten haben, einfach mal nach oben gehen müssen. Was nun?
Am gegenüberliegenden fuhr ein Regionalexpreß nach Berlin ein. Schnell reingehüpft und wieder bis Zoo gefahren. Das Gleis für die Züge Richtung Werder und weiter weg war gut gefüllt. Ein Husky hatte Durchfall. Herrchen und Frauchen putzen unter vernehmlichem Fluchen den Bahnsteig mit Küchenpapier.
Zwanzig Minuten später kündigte die Lautsprecherstimme an, der "Baumblüten-Expreß" (so heißt der Sonderzug, den die Bahn am Wochenende extra für die Fahrten zwischen Berlin und Werder zusätzlich hat fahren lassen) habe leider wenige Minuten Verspätung. Wenige Minuten später wurde der Zug dann endlich angekündigt. Doch: "Achtung, Achtung! Dieser Zug ist überfüllt! Bitten nehmen Sie den nächsten Zug!" Suuuuuper.
Der überfüllte Zug hielt, und aus den Türen sprangen Passagiere mit Platzangst. Weniger ängstliche Zeitgenossen vom Bahnsteig nutzen die Gelegenheit und schoben sich in den Zug. Ich zog es vor, zu warten. Fest entschlossen: wenn der nächste Zug wieder überfüllt ist, fahre ich mit der S-Bahn bis Friedrichsstraße, wo der Baumblüten-Expreß startet. Aber: der nächste Zug nach Werder, der kurz darauf in Zoo hielt, war zwar gut, aber nicht überfüllt. Und nach kurzem Suchen ergatterte ich tatsächlich noch einen Sitzplatz auf dem Oberdeck. :-)

Soviel zur Hinfahrt. Kurz vor eins war ich in Werder. Schön. Das Anschlußticket gilt ab Entwertung auch nur zwei Stunden. Andererseits: in dem Zug hat eh keiner kontrolliert.

Der Bahnhofsvorplatz von Werder präsentierte sich reichlich unspektakulär, aber immerhin mit ein paar blühenden Obstbäumen. Zahlreiche Busse luden zur "Blütenrundfahrt" ein oder boten einen Shuttle-Service vom Bahnhof bis zur Post, die ich im Stadtzentrum vermutete. Weil aber ein Großteil der Menschen aus dem Zug sich zielstrebig zu Fuß auf den Weg machte, schloß ich mich einfach der Menge an und trottete hinterher.


Es dauerte auch gar nicht lange, da tauchten längs des Weges die ersten kulinarischen Angebote in Form selbstproduzierten Obstweins auf, und bald darauf auch die unvermeidlichen Jahrmarktstände. Irgendwann habe ich aufgehört, die Stände mit albernen Perücken, pseudo-indianischen Ketten und ähnlichem Kappes zu zählen. Es waren sehr, sehr viele. Und überall Stände mit Obstwein (der ausschließlich in Plastikflaschen verkauft werden darf, da das Getränk wohl doch recht schnell zu Kopf steigt und viele gerade jüngere Besucher offensichtlich zum Abfeiern und Vollaufenlassen nach Werder kommen).

Je näher ich dem Stadtzentrum kam, desto voller wurde die Straße. Irgendwann war es nur noch ein Geschiebe und Gedränge die Straße entlang. Freßbuden und Stände mit Nippes, und davor und daneben Menschen, Menschen, Menschen.



Neben der Brücke, die auf die Inselstadt führt, hatte das THW schon mal vorsorglich eine zweite Behelfsbrücke errichtet, die aber noch nicht zur Benutzung freigegeben war.
In der Inselstadt erst einmal dasselbe Bild: überall Stände, Freßbuden, Obstwein, dazu noch diverse Fahrgeschäfte. Einige von denen bemühten sich redlich, den Beweis zu erbringen, die Erfindung der Lautsprecheranlage sei doch keine gute Idee gewesen.

Aber genug gelästert. Anhand der Bilder habt ihr es sicher schon gesehen: das Wetter war fantastisch. Warm, aber nicht zu heiß (aber nur knapp), und dann ist Werder auch noch wirklich schön (wenn man sich den Rummel wegdenkt.) Inzwischen hatte ich schon etwas Hunger, und so suchte und fand ich eine tatsächlich unbesetzte Bank in der Sonne (keine Sorge, ich hatte mein schickes Hütchen auf), etwas abseites des Rummels und mit Blick auf die Havel, und machte erst einmal Mittagspause. Mir gegenüber hatten sich schon jede Menge Leute einfach ins Gras gesetzt oder gelegt. Die ersten testeten auch schon die Wassertemperatur.

Frisch gestärkt machte ich mich auf den Weg durch die kleinen Gassen der Inselstadt, wo bedeutend weniger Touristen unterwegs waren.


Das hier ist das alte Rathaus mit der evangelischen Heilig-Geist-Kirche im Hintergrund. Ansonsten gibt es in der Stadt viele entzückende kleine Fischerhäuser, einen zweihundert Jahre alten Bergamottebaum, Fliederbüsche und einen schönen Weg an der Havel entlang. Hat mir sehr gut gefallen.


Nachdem ich (fast) alles gesehen hatte, stürzte ich mich zurück ins Getümmel. Eigentlich hatte ich doch überlegt, die 5 Euro in eine Blütenrundfahrt zu investieren,. Die führen, so hatte ich mittlerweile erahnt, zu den großen Obstplantagen außerhalb, wo die Bäume vielleich noch nicht alle verblüht sind. Doch ich sah zwar zwei dieser Busse an mir vorbeifahren, hatte aber keine Ahnung, wo (abgesehen vom Bahnhof) die noch halten und Passagiere aufnehmen. Klar, ich hätte zum Bahnhof zurückgehen können, aber die letzte Blütenrundfahrt sollte in einer guten halben Stunde starten - und das hätte ich nicht mehr geschafft. Also dann eben nicht.

Stattdessen ging ich zurück zu dem Gedränge und Geschiebe auf dem Marktplatz vor der Inselstadt, wo ich ein paar Stunden zuvor vom Bahnhof kommend gelandet war. Von diesem Platz aus ging eine weitere Straße ab, die - so konnte ich erkennen - auch ungefähr in Richtung Bahnhof führte, allerdings mit einer leichten Steigung. Nun hatte ich auf dem Hinweg vom Bahnhof mal einen Weg gesehen, der zu einer "Friedrichshöhe" führt, die wiederum vom Stadtplan am Marktplatz als Aussichtspunkt benannt wurde. Also in die Richtung. Wo so viele Menschen rumlaufen, kann ich nicht völlig verkehrt sein.


Es gab wieder die üblichen Stände (gerne auch mal zwei mit nahezu gleichem Angebot direkt nebeneinander), viele Menschen - und irgendwann war ich dann oben angelangt. Die Straße war immer noch voller Menschen, und rechts und links der Straße befanden sich Obstgärten, welche von ihren Besitzern für die Besucher geöffnet waren. Natürlich nicht, ohne den Besuchern noch selbstgebrauten Obstwein zum sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen anzubieten.


Tja, Baumblüte war nicht mehr, aber dennoch fühlte ich mich von dem Anblick der unter den Obstbäumen rastenden Menschen sehr an das japanische Hanami erinnert. Nur daß es hier mangels Blüten vielleicht eher "kimi" (Baum-kucken) heißen müßte. ;-)

Von der Friedrichshöhe aus fand ich ohne Probleme den Weg zurück zum Bahnhof, wo gerade wieder ein "Baumblüten-Expreß" eingetroffen war. Polizisten paßten auf, daß beim Verlassen des Bahnhofs alles mit rechten Dingen zuging - und natürlich auch beim Betreten. Denn schon in Berlin-Zoo hatte ich die Mitteilung der Polizei gelesen, daß anläßlich des Baumblütenfests nach 17 Uhr das Mitführen von Glasflaschen verboten ist und daß sich die Polizei verbehält, offensichtlich betrunkene und randalierende Mitmenschen gar nicht erst in die Züge zu lassen.
Die Abreisewilligen wurden jedenfalls von den (noch?) gelangweilt aussehenden Polizisten (die hinterher froh gewesen sein dürften, nicht zum Dienst in Kreuzberg abkommandiert worden zu sein - es war immerhin der 1. Mai) aufgefordert, uns schon mal einen Weg auf den Bahnsteig zu "erobern". "Einfach durchdrängeln! Einfach durchdrängeln!"
Der Kauf des Anschlußtickets am Automaten dauerte seine Zeit - aber nur, weil der Radfahrer vor mir mit dem Automaten nicht klarkam oder umgekehrt. Jedenfalls brauchte der ziemlich lange, um erst die Einzeltickets für sich und seine Frau und dann die zwei Fahrradkarten zu ordern, und der Automat brauchte dann noch sehr lange, um die vier Fahrscheine auch alle auszudrucken. Einen Sitzplatz fand ich erst in Potsdam, als die ersten Fahrgäste ausstiegen. Eine Dame hatte es dabei besonders eilig. Das heißt, erst hatte sie jede Menge Zeit und blieb oben am Rand der Treppe stehen, weil sie sich während der Fahrt nicht traute, sich an den vier Jugendlichen vorbeizuschieben, die es sich mangels Sitzplätze einfach auf der Treppe bequem gemacht hatten. Sobald der Zug dann aber hielt, wollte sie so schnell raus, daß sie die Treppe runterfiel. So schnell konnte ich gar nicht kucken: mit einem Mal lag sie unten. (Ist aber nichts passiert.)



Die Rückfahrt dauerte jedenfalls nur eine halbe Stunde (kleine Notiz am Rande: den Zug hatte sich der VBB beim Verkehrsverbund Warnow ausgeliehen - da wurden Erinnerungen wach!), dann war ich in Zoo, und eine weitere halbe Stunde später stand ich zuhause unter der Dusche.

1 Kommentar:

Annika hat gesagt…

Ich habe in den letzten Jahren den Trubel gemieden und mein Baumblütenfest Werder auf dem Werderaner Tannenhof verbracht. Vielleicht kennst du den auch?