Donnerstag, 25. September 2008

SYLN

Letzten Mittwoch klingelte abends das Telefon. Es war Peter, den ich vor Monaten auf dem Australia Day kennengelernt hatte. Ob ich mich noch erinnern würde. Klar, ich konnte ihm sogar noch ein Gesicht zuordnen. Nun ja, Peter ist Schauspieler aus Australien, der seit langem in Deutschland lebt und hier mit seiner Frau eine Schauspielgruppe, das Platypus Theater, gegründet hat, die Jugendtheater macht. Und zwar auf Englisch, weil die Schauspieler alle Englisch als Muttersprache haben. Daher führen sie ihre Stücke auch hauptsächlich vor Schulklassen auf. Gerade proben sie ein neues Stück, und da fragte Peter mich, ob ich Lust und Zeit hätte, für sie die Pressearbeit zu machen. Da habe ich natürlich sofort zugesagt (zumal es auch etwas Geld dafür gibt).
Das neue Stück heißt „See You Later Navigator“, Peter hat es selbst geschrieben, es ist also eine Uraufführung. Den aktuellen Text bekam ich als E-Mail zugeschickt, damit ich schon mal nachlesen konnte, worum es überhaupt geht, und am Freitagvormittag durfte ich der Probe zusehen. Das war sooooo spannend! Ich hatte das Stück zwar schon gelesen und fand es gar nicht schlecht, aber was die vier Schauspieler auf der Bühne dann daraus machten, war schon toll. Anschließend bin ich ein paar Straßen weiter zum Büro marschiert und habe mich an die Presseerklärung gemacht.
Am Montag durfte ich wieder bei der Probe zusehen. Diesmal war es ein Probedurchlauf, bei dem das komplette Stück durchgespielt werden sollte. Und zwar vor einer Schulklasse (6. Klasse) der benachbarten Grundschule, um zu sehen, wie viel die Kinder verstehen, ob sie mit der Handlung Schwierigkeiten haben, was vielleicht noch besser erklärt werden könnte und ob es vielleicht noch Schwachstellen im Stück gibt. Zwischendurch wurde mal Pause gemacht, Anja hat den Kindern Fragen zum Stück gestellt und die Kinder selbst durften auch Fragen stellen. Am Ende war die große Manöverkritik. Viel verstanden hatten die Kinder nicht, aber damit war zu rechnen gewesen. Zum einen waren sie gar nicht vorbereitet, während die Schulklassen, die zu den regulären Theatervorführungen kommen, vorher mit ihren Lehrern das Vorbereitungsmaterial von der Webseite der Theatergruppe durchgehen. Zum anderen war das aber auch eine etwas schwierige Klasse. Das haben auch die Schauspieler selbst gesagt. Alle Kinder haben einen Migrationshintergrund, wie das heute so schön heißt, und einige hatten auch mit dem Deutschen so ihre Schwierigkeiten. Und dann fehlte schlicht das Hintergrundwissen. In dem Stück geht es um eine moderne Schnitzeljagd durch London, und zum Beispiel konnte keines der Kinder etwas mit Big Ben anfangen. Dann enthält das Stück auch viele Mitmachelemente. Zum Beispiel sollen einmal ein paar Kinder auf die Bühne kommen und unter Anleitung der Schauspieler ein paar Takte aus Händels „Hallelujah“ singen. Das hat auch ganz gut geklappt. Etwas später aber wurden ein paar „Mitspieler“ gebraucht, um zwei Schauspieler Huckepack zu tragen. Gut, mit dem englischen Wort hätte ich auch erst einmal nichts anfangen können. Die Kinder haben das aber nicht mal auf Deutsch verstanden. Das ist echt traurig. (Allerdings waren die auch zu klein, um Erwachsene Huckepack zu nehmen, von daher hat das auch nicht geklappt, nachdem die begrifflichen Schwierigkeiten geklärt waren – bis zur Uraufführung muß man sich da noch etwas anderes einfallen lassen.) Dann die letzte Frage: „Wenn Sie das im richtigen Theater spielen, küssen die sich dann richtig?“ *g*
Als die Kinder weg waren, ging die Manöverkritik weiter. Die Kostümbildnerin wollte noch ein paar Fragen klären, die Maskenbildnerin auch, es ging um Perücken ja oder nein und wenn ja, dann was für welche, Szenenübergänge, etc. Das war wahnsinnig spannend, da zuzuhören, aber schließlich hatte ich ja auch noch was zu tun und bin wieder ins Büro gegangen, wo ich der Pressemitteilung den letzten Schliff gegeben und sie dann abgeschickt habe. War gar nicht so einfach, weil die Adreßdatei in der Hinsicht etwas unübersichtlich war.
Jetzt muß ich das ab und an noch etwas beobachten und auch die Nachbetreuung übernehmen. Und weil ich meinen eigenen Text so gut finde (*schulterklopf*), hier die (leicht gekürzte) von mir verfaßte Pressemitteilung:

Am 9. Oktober um 11:00 Uhr ist es soweit: Das englischsprachige Platypus-Theater präsentiert in der ufaFabrik in Tempelhof die Uraufführung des Jugendtheaterstücks „See You Later Navigator“ von Peter Scollin. Das Stück richtet sich an Jugendliche ab 11 Jahren bzw. Schulklassen der Jahrgänge 6 bis 8. Vier Schauspieler/Innen in internationaler Besetzung (Fingal Pollock/Neuseeland, Melissa Holroyd/Australien Peter Scollin/Australien und Kenneth Phillips/Indien) spielen – und singen – eine schnelle, witzige und spannende Inszenierung.
Und darum geht es: Maddy und Tom sind zwei Jugendliche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie: Musterschülerin. Er: Gettokid. Rebecca Ryan, Moderatorin der Fernsehshow „See You Later Navigator“, und Dr. Quant, Inhaber der Firma Brainwaves, schicken die beiden auf einen Wettlauf gegen die Zeit. Als Team müssen sie ihren Weg durch London finden und zwischendurch knifflige Fragen beantworten. Am Ende winkt ein hoher Gewinn. Aber Dr. Quant spielt falsch: Er nutzt die Show, um an Tom seine neueste Erfindung auszuprobieren, einen Mikrochip, der den ahnungslosen Jungen in ein Genie verwandelt. Doch der Chip hat Nebenwirkungen ...
Ausgangspunkt für die Entwicklung des Stücks war die Frage, welchen Einfluss Reality Shows wie „Top Models“ oder „DSDS“ auf Jugendliche haben. Es thematisiert die Konkurrenz unter Jugendlichen und die Versuchung, schnell berühmt zu werden – sei es mit Hilfe der Medien oder zur Not auch mit „Mind Doping“.
Das Platypus-Theater ist eine unabhängige Berliner Theatergruppe, die 1985 von Anja und Peter Scollin gegründet wurde und englische und deutsch-englische Theaterstücke für Kinder und Jugendliche entwickelt und zur Aufführung bringt. Die Gruppe sieht ihre Stücke nicht als reine Ergänzung zum Englischunterricht an deutschen (vorwiegend Berliner) Schulen, sondern hat auch den Anspruch, gutes und intelligentes Theater für alle sozialen Schichten zu machen.

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