Mittwoch, 6. August 2008

Grau ist alle Theorie

Ich erwähnte es bereits: neben einem ganzen Schwung Belletristik habe ich beim letzten Mal auch ein Sachbuch aus der Bücherei nach Hause getragen, welches den schönen Titel „Zahlentheoretische Kostproben“ trägt, und das es deshalb in meinen Bücherkorb geschafft hat, weil es mich neugierig gemacht hat. Auf dem Umschlagtext heißt es:
„Die Zahlentheorie ist die ‚Königin’ der Mathematik. Sie vermag mehr zu faszinieren als jedes andere Teilgebiet.“
Ich war durchaus bereit, mich faszinieren zu lassen, zumal der Autor in der Einleitung schreibt:
„Es muss an Kenntnissen vorausgesetzt werden, was ein Abiturient normalerweise lernt oder was davon, einschränkend gesagt, hängen blieb oder doch hängen geblieben sein sollte.“
Nun bilde ich mir ein, damals im Mathe-Grundkurs von Karl Koyote nicht völlig erfolglos gewesen zu sein, und die Noten auf dem Abiturzeugnis bestätigen das auch (*hüstel*). Das erste Kapitel (Der Mathematiker als homo ludens) ließ sich auch gut an. Was genau sind Zahlen, und wo fängt die Spielerei an?

Mit etwas ganz harmlosem, den Palindromen, also Zahlen, die vorwärts wie rückwärts gelesen gleich lauten. (Gibt es auch mit „richtigen“ Sätzen, der berühmteste ist wohl „Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie“ und stammt von Schopenhauer.) Das an sich ist ja noch simpel, man nimmt einfach eine Zahl, z.B. 8 und baut vorne und hinten jeweils die gleiche Zahl an, z.B. 5, und schon hat man ein Palindrom: 585.
Aber jetzt wird es interessant: Die meisten natürlichen Zahlen lassen sich zu Palindromen umformen, indem man die vorwärts gelesene zur rückwärts gelesenen addiert. In der Regel muß das natürlich einige Male wiederholt werden. Beispiel: 59 + 95 = 154; 154 + 451 = 605; 605 + 506 = 1111. Die Zahl der Schritte ist unterschiedlich. Die Zahlen unter 100 benötigen maximal 4 Schritte, ausgenommen sind das Zahlenpaar 97/79 (6 Schritte) und 98/89, für das man 24 Schritte braucht (entsprechend viele Stellen hat dann auch das Palindrom).
Man vermutet, daß alle natürlichen Zahlen früher oder später bei einer Palindromzahl enden, aber es gibt einige „Problemzahlen“, die erst nach sehr vielen Schritten oder überhaupt nicht das erwartete Palindrom ergeben. Die kleinste ist die 196, für die die Suche bis zu einer Zahl mit 263 Millionen Stellen führte – und noch immer war kein Palindrom gefunden.
Zugegeben: der Fund des Palindroms für die Ausgangszahl 196 dürfte in seiner Bedeutung der eines in China umgefallenen Sacks Reis gleichkommen, aber es ist trotzdem irgendwie interessant.

Interessant fand ich auch eine andere Erkenntnis, die mit der 89 zusammenhängt. Als erstes mußte ich lernen, was eine Quersumme 2. Ordnung ist. Beispiel 45: die Quersumme 1. Ordnung ist 4 + 5 = 9, die Quersumme 2. Ordnung ist 4² + 5² = 16 + 25 = 41. Wenn man das jetzt entsprechend oft wiederholt (also z.B. 4² + 1² usw. berechnet), landet man immer entweder bei 1 (und da geht’s einfach nicht weiter) oder bei 89. Von der 89 kommt man nach 8 Schritten immer wieder zur 89 zurück.
Auch hier dürfte die praktische Bedeutung der Erkenntnis gegen Null tendieren, aber es ist halt ein Rätsel und gibt der Mathematik direkt was Mystisches.

Darum ging es also im ersten Kapitel des Buches, und nachdem ich da schon überall gut mitgekommen war und es auch durchaus nicht uninteressant fand, las ich weiter. Da kamen die Primzahlen an die Reihe. Und was soll ich sagen: beim ersten Absatz mußte ich zwar etwas länger nachdenken, bis ich verstanden hatte, worauf der Autor hinauswill, aber beim zweiten Absatz fingen die Probleme an. Der geht so:
„Aus der entsprechenden Verallgemeinerung folgt sogleich, dass es eine letzte Primzahl nicht geben kann. Es ist ferner, wie sich von selbst versteht, damit eine obere Schranke für die (n + 1)-te Primzahl gegeben, denn es muss sein: pn + 1 p1p2p3 ∙∙∙ pn – 1, p1 = 2, p2 = 3, p3 = 5 usw.“
Ich meine inzwischen kapiert zu haben, daß sich diese obere Schranke auf die Höchstzahl der Stellen einer Primzahl bezieht, bin mir aber nicht sicher. Und vor allem nervt mich dieses „wie sich von selbst versteht“. Es folgt dann eine lange Folge von unübersichtlichen Formeln, die lauter p1s, p2s etc. enthält. Da bin ich ausgestiegen. Weitere Versuche, in den späteren Kapiteln (Themenwechsel!) den Wiedereinstieg zu schaffen, sind gescheitert. Anscheinend reicht das, was von meinem Abiturwissen (immerhin auch schon 11 Jahre her) hängengeblieben ist, doch nicht aus.
Vielleicht meinte der Autor ja LK-Abitur-Rest-Wissen, wer weiß. Dann hätte er das aber auch so hinschreiben sollen. Das Buch ist jetzt jedenfalls ad acta gelegt. Ja, ich habe kapituliert. Fürs erste. Wer weiß, vielleicht finde ich ja mal eins, das mir das besser erklärt.

Geblieben ist jedenfalls das Wissen, daß die 89 eine besondere Zahl ist. Und wer weiß, vielleicht kann ich das Wissen mal zum Klugscheißen benutzen. *g*

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich bewundere das schon, dass du dich soweit da durch gequält hast.
Steven Hawking hat mal geschrieben "Jede Gleichung in einem Buch halbiert die Verkaufszahlen".

Ute hat gesagt…

Bewundere es nicht zu sehr. Das Buch hat 244 Seiten (plus ein paar Seiten Anhang und Literaturangaben), und das erste Kapitel ist eher kurz: 6 Seiten. Dazu kommen 4 Seiten Einleitung und die eine Seite aus dem Primzahlartikel, die ich wirklich gelesen, aber nicht mehr verstanden habe.

Was Hawking betrifft: der scheint unter seinen Fachkollegen nicht unumstritten zu sein, aber mit dem von Dir zitierten Satz hat er recht! :-)

Patrick hat gesagt…

Ich weiss schon, warum ich bei Zeiten Mathe abgewählt habe...