Samstag, 3. Mai 2008

Hauptstadt vom Reißbrett: Astana

Den letzten Tag unserer Pressereise verbrachten wir in Astana, der neuen Hauptstadt von Kasachstan. Ursprünglich war Almaty die Hauptstadt, aber dann beschloß Präsident Nasarbajew die Verlegung nach Akmola, was dann in Astana umbenannt wurde. Astana heißt schlicht: Hauptstadt. Offizielle Begründung: Almaty ist wegen der großen Erdbebengefahr zu unsicher (sagt das mal den Tokiotern!). Astana dagegen liegt mitten in der Steppe. Da ist es einfach nur flach. Meine Vermutung ist allerdings: in Akmola/Astana gab es nicht viel, da kann sich der erste Präsident leichter architektonisch ein Denkmal setzen. Oder auch zwei. Oder drei. Oder einfach ganz, ganz viele. In den vergangenen zehn Jahren seit der Hauptstadtverlegung hat man da eine komplett neue Stadt aus der Steppe gestampft. Und noch immer sind überall Baukräne.

Damals, an der Uni, im Seminar über die Theorien der Postmoderne, habe ich folgendes gelernt: Postmoderne bedeutet im Grunde genommen nichts anderes, als das alles erlaubt ist, und das auch gut so ist. Um das mal ganz platt darzustellen. Allerdings schließt das immer auch das Risiko ein, daß statt der gewünschten "Mehrsprachigkeit" einfach nur Beliebigkeit herauskommt, die dann leicht in Kitsch umschlägt. Und genau das ist meines Erachtens in Astana passiert. Oder wie sagte einer der Leute, die wir da getroffen habe, und den ich jetzt nicht namentlich nennen will: "Astana mag als Stadt ja ganz lustig sein, aber ich möchte in der Stadt nicht tot über den Zaun gehängt werden."

Das hier ist das Wahrzeichen der Stadt, ein monströser Turm mit Namen "Astana-Baiterek".


Mit dem Fahrstuhl ist man ruck-zuck in der goldenen Kugel angelangt, durch die man einen guten Überblick über die Kunststadt hat. Leider durch geschliffenes, goldgetöntes Plexiglas (?) hindurch, weshalb sämtlichen Fotografen unserer Truppe die Mundwinkel nach unten rutschten, sobald wir den Lift verlassen hatte. Oben gibt es dann noch einen Handabdruck von Nasarbajew. Wer da seine Hand reinlegt, kann sich was wünschen, was dann angeblich auch in Erfüllung geht. Ich habe es nicht so weit nach oben geschafft, denn erst habe ich für den FAZ-Mitarbeiter gedolmetscht (ja, ich mache richtig Karriere *zwinker*), und als ich dann hin wollte, wurde der Bereich gerade für eine UN-Delegation gesperrt. Na ja, von Nasarbajew will ich auch nichts geschenkt haben.


Die großen Brücken sind allesamt mit verkitschten Darstellungen einheimischer Tiere verunstaltet. Hier ein Hammel, bei einer anderen waren es Saiga-Antilopen, bei der dritten Pferde. Und das Gebäude mit der blauen Kuppel ist der neue Präsidentenpalast. Der alte, an dem wir auch vorbeigefahren sind, ist inzwischen das "Museum des ersten Präsidenten". Wir Journalisten sahen uns verblüfft an: der lebt doch nocht! Und vor allem: der ist auch noch im Amt! Den Spitzenplatz im zentralasiatischen Personenkult hält allerdings der verstorbene turkmenische Präsident Nijasow, der sich "Turkmenbaschi", Führer aller Turkmenen, nennen ließ.


Und das hier ist das neue "architektonische Wunder" (der Titel "Wahrzeichen" war ja schon vergeben), der Palast des Friedens und der Eintracht. Gebaut hat das Teil Lord Norman Foster, der offenkundig auch endlich mal eine Pyramide bauen wollte. Da kann man mal sehen, was passiert, wenn man einem Architekten völlig freie Hand läßt. In die blauen Fenster in der Spitze hat irgendein anderer Künstler lauter Tauben gemalt, wie sie jede drittklassige Fluggesellschaft als Symbol verwendet. Kitsch hoch drei. Und die Pyramide erst recht. Und vor allem auch völlig steril. Das Reichstagsgebäude hat Sir Norman besser hinbekommen.

Jedenfalls befinden sich in der Pyramide ein Opernhaus, eine Bibliothek, ein staatliches Museum mit einer Kopie des goldenen Mannes (die wir aber trotzdem nicht fotografieren durften, warum auch immer), Veranstaltungsräume und Räumlichkeiten für den "interreligiösen Dialog".

Und ein Modell der Stadt Astana, wie sie aussehen soll, wenn sie einmal fertig ist.


Lord Foster baut übrigens schon das nächste Großprojekt: einen riesigen Sport- und Vergnügungskomplex namens Khan Shatyry in Form eines riesigen Zelts. *schauder*

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Pyramide finde ich gar nicht so schlecht. Ich denke aber, so etwas passt besser nach Disney World. Ansonsten hat das alles etwas Plastik haftes.

Ute hat gesagt…

Auf dem Foto sieht sie wirklich nicht so schlimm aus, da hast Du recht. In Wirklichkeit wirkt die Stadt allerdings wie ein riesiges, künstliches und lebloses Gebilde. An den meisten der fertiggestellten Wohnkomplexe prangten große Schilder "Wohnungen zu vermieten/verkaufen". Da will kaum einer freiwillig wohnen.

Sabine hat gesagt…

Da würd ich auch nich tot über der Leitplanke hängen wollen... Was hast Du denn da nun genau gemacht?

Ute hat gesagt…

Eine Pressereise auf Einladung der staatlichen Fluggesellschaft mit dem Ziel der Tourismusförderung. Ein Interview mit dem Geschäfstführer und ein eher wirtschaftsorientierter Artikel für die eine Zeitschrift sind schon fertig. Ein touristischer Artikel für die zweite Zeitschrift ist halb fertig. :-)