Mittwoch, 1. Juli 2009

Bücher 2009, Teil 6

46. Minette Walters. "Der Schrei des Hahns"
Die Autorin rekonstruiert einen Mordfall aus dem Jahr 1924. Elsie Cameron hat es nicht gerade leicht: sie ist unattraktiv und nicht gerade anziehend, nicht reich, dazu noch extrem launisch - und hat panische Angst, als alte Jungfer zu enden. Den jüngeren und unerfahrenen Norman Thorne kann sie zunächst an sich binden, doch einer Heirat weicht der junge Mann immer mehr aus, zumal er eine attraktivere, anziehendere junge Frau kennenlernt. Dann verschwindet Elsie, als sie wieder einmal Norman auf seiner Hühnerfarm besuchen will. Wochen später wird ihre Leiche gefunden. Im April 1925 wird Norman gehängt, obwohl seine Schuld nie bewiesen wurde. Ein schmales Buch, eher eine Erzählung als ein Roman, und nicht ganz so spannend wie die anderen Bücher, die ich von ihr kenne.

47. Mike Williams. "Old Jazz"
Frank Harmon, der Sohn eines berühmten Jazzmusikers, lebt zurückgezogen in einem Dorf in der Nähe von Perth in Australien (Nähe ist jetzt mal relativ). Da ruft ihn mitten in der Nacht eine Frau an, die ihm mitteilt, sein Vater sei gestorben und sie sei seine Halbschwester. Eigentlich wollte Frank mit seinem Vater, den er für den frühen Tod seiner Mutter verantwortlich macht, nichts mehr zu tun haben, aber das Erscheinen seiner Halbschwester zwingt ihn dazu, sich mit den Erinnerungen an seine Kindheit auseinanderzusetzen: sein Vater, der mit Familie nicht viel am Hut hatte und seine Frau schlug, seine Mutter, die mit ihrem Sohn schließlich ihren Mann verließ - und der geheimnisvolle Saxophonist aus der Band seines Vaters, dessen Bild Frank unwiderstehlich anzieht. Zufallsgriff in der Bibliothek, der sich absolut gelohnt hat. Eine wunderschöne Geschichte.

48. Ian Rankin. "Der diskrete Mr. Flint"
Kein Inspektor-Rebus-Roman - ich befürchte fast, den gesamten Bibliotheksbestand durchgelesen zu haben. :-( Dieser Krimi spielt im London der 80er Jahre. Bombenattentate der IRA sind an der Tagesordnung. Mittendrin entwischt ein Auftragskiller seinen Bewachern vom MI5 und kann ungehindert seinen Auftrag ausfüllen. Mr. Flint ist einer der Aufpasser, die den Killer hätten überwachen sollen. Bald ist ihm klar, daß er in eine Falle getappt ist - jemand aus dem Geheimdienst muß da mitgespielt haben. Mr. Flint beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Auch wenn Inspektor Rebus schmerzlich vermißt wird - ein sehr spannendes Buch.

49. John Updike. "Hasenherz"
Pennsylvania, 50er Jahre. Harry Angstrom, wegen seiner Nase und trotz seiner beachtlichen 1,90 Körpergröße von allen nur "Rabbit" genannt, verläßt seine hochschwangere Frau und sein kleines Kind, weil er mit seinem Leben irgendwie unzufrieden ist. Er nistet sich bei einer Gelegenheitsprostituierten ein, während der Pfarrer im Auftrag der Schwiegereltern ihn beharrlich zur Rückkehr zu seiner Frau bewegen will. Als seine Frau in den Wehen liegt, kehrt er zurück - nur um nach einer Tragödie in seiner Familie erneut das Weite zu suchen, dieses Mal mit ungewissem Ausgang. Der erste Teil der berühmten "Rabbit"-Reihe. Rabbit sucht nach dem "Etwas" im Leben, was ihm eigentlich keiner übelnehmen kann - nur leider völlig ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer, besonders der Frauen.

50. Siegfried Lenz. "Heimatmuseum"
Zygmunt Rogalla, Teppichweber aus Masuren, hat auf seiner Flucht vor der Roten Armee immerhin das halbe Inventar des von seiner Familie betriebenen Heimatmuseums retten können und es in Schleswig-Holstein wieder eingerichtet. Bis er es eines Tages, für Familie und Freunde völlig unverständlich, einfach niederbrennt. Während er sich im Krankenhaus von seinen Verbrennungen erholt, erzählt er Martin Witt, dem Freund seiner Tochter, die Geschichte seiner Familie und des Museums. So entsteht ein farbenprächtiges Bild einer Kleinstadt in Masuren und ihrer exzentrischen Einwohner zwischen dem Beginn des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Was ist Heimat? Geben die Ausstellungsstücke im Museum wirklich "reine Zeijenschaft"? Das sind wichtige Fragen, die scheinbar nebenbei behandelt werden, aber doch den Kern dieses Romans bilden. So ein schönes Buch!

51. Christa Wolf. "Kindheitsmuster"
Roman mit autobiographischen Zügen. Nelly Jordan reist Anfang der 70er Jahre mit Bruder Lutz, Mann H. und jüngster Tochter Lenka nach G. in Polen, früher L., ihre Heimatstadt. Rückblickend erzählt sie von dem Aufwachsen des Kindes Nelly im Dritten Reich, den Verführungen durch Schule und Hitlerjugend, Krieg und Flucht. Parallel dazu besucht sie die Orte von damals wieder und vergleicht - wie sah es damals aus, wie heute? Interessant ist auch, daß die Erzählerin von der erwachsenen Nelly in der zweiten Person spricht, vom Kind jedoch in der dritten. Erst ganz am Ende des Buches traut sich das "Ich" hervor. Neben der Kindheitserzählung geht es auch um das Gedächtnis und Erinnern an sich. Wie entsteht Erinnerung, an was erinnert man sich, und warum? (Schon erstaunlich, daß das Buch in der DDR erscheinen konnte, denn manches, was sie über das Leben in der ersten deutschen Diktatur schreibt, paßt auch auf das Leben in der zweiten deutschen Diktatur - und das ist keinem Zensor aufgefallen?)

52. Bill Bryson. "Streiflichter aus Amerika"
*ROFL*
Kostprobe gefällig?
"In den Vereinigten Staaten unterliegt Tiefkühlkäsepizza natürlich der staatlichen Lebensmittelkontrolle. Die Produktion von Tiefkühlpepperonipizza dagegen wird vom Landwirtschaftsministerium geregelt. Beide Institutionen setzen ihre eigenen Normen hinsichtlich Inhalt, Kennzeichnung und so weiter fest, haben eigene Kontrollteams und eigene Vorschriften, die allerlei teure Papierarbeit erforderlich machen. Und das nur bei Tiefkühlpizza. Ein solcher Irrsinn wäre in einem kleinen Land wie Großbritannien nicht möglich. Dafür braucht man die Europäische Union."

2 Kommentare:

BigBadJohn hat gesagt…

"Hasenherz" hat mir sehr gut gefallen; allerdings glaube ich, daß es mehr so ein Männerbuch ist

Ute hat gesagt…

Das dürfte auch auf "Landleben" zutreffen - eher was für Männer. Nichts desto trotz habe ich mir den nächsten "Rabbit"-Band schon ausgeliehen. Interessant ist es ja.