Sonntag, 16. November 2008

Neuer Lieblingsladen

Daß es in meiner Nachbarschaft außer den zahlreichen preisgünstigen Restaurants unglaublich viele kleine Läden gibt, in denen man wunderbar stöbern kann, wußte ich schon. Aus finanziellen Gründen habe ich allerdings besonders um die vier kleinen Buchläden immer einen Bogen gemacht. (Wenn ich meine Selbstbeherrschung teste, dann in den großen Buchhandelsketten, in denen man nicht so blöd angesehen wird, wenn man nach einer Stunde des Blätterns wieder rausgeht, ohne etwas gekauft zu haben.)
Am Freitag allerdings war ich mal wieder auf dem Weg zum U-Bahnhof Nollendorfplatz, und auf dem Weg dorthin verlangsame ich meine Schritte eigentlich immer an zwei Stellen: einmal an dem kleinen Buchladen an der Ecke Maassenstraße/Nollendorfstraße, weil das Schaufenster dort stets mit wirklich interessanten Büchern gefüllt ist. Und es ändert sich immer was, so daß ich sowieso immer wieder nachsehen muß.
Ein paar Meter weiter ist dann der Buch-Ramschladen, wo bei gutem Wetter immer die Grabbelkisten einladend draußen vor der Tür stehen. In diesem Laden war ich auch schon einige Male drin, kann mich jetzt aber nicht erinnern, dort auch schon einmal etwas gekauft zu haben.
Am Freitag nun sah ich im Schaufenster des kleinen Buchladens ein Buch, das ich unbedingt haben mußte. Da ich mich gerade selbst zur Expertin in allem fortbilde, was mit Schokolade auch nur ansatzweise zu tun hat, mußte mich das Indianerlexikon mit dem leuchtend gelben „5-Euro-Sonderpreis“-Aufkleber natürlich in den Laden locken.
Drinnen wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen (bildlich gesprochen): Ein wirklich kleiner Verkaufsraum, der buchstäblich bis zur Decke mit Büchern vollgestopft ist. Außerdem stapeln sich die Bücher ziemlich wild entlang des Verkaufstisches in der Mitte. Zuerst sah ich nur die eine Kundin, die noch im Laden war. Der Verkäufer dagegen war hinter den Bücherstapeln gut versteckt. Ich bemerkte ihn erst, als sich auf meinen Gruß hin hinter einem der Stapel ein weißer Haarschopf bewegte.
Die Kundin hatte ein Buch bestellt und wollte wissen, ob es schon angekommen sei. Der Buchhändler suchte im Computer, fand es nicht, ging dann gemächlich in den Nebenraum, fand es dort nicht, kam wieder zurück, wollte die Suche gerade aufgeben, als er es doch noch entdeckte. Es steckte in einem der Bücherstapel auf dem Schreibtisch, gehörte also zu der Lieferung, die er noch nicht in seine Inventarliste hatte aufnehmen können. Er und die Kundin bewunderten die Umschlaggestaltung. Wer hatte denn das Bild gemalt? Der Buchhändler schlug das Buch vorsichtig auf, schob die Brille hoch und las. „Ah, ein berühmter Maler. Paul.“ Er sah die Kundin fragend an. Die sah fragend zurück. „Paul G...“ Immer noch keine Reaktion von der Kundin.
„Paul G-A ...“ Jetzt wurde ich in das Quiz miteinbezogen, bekam das Titelbild auch zu sehen. In dem Moment wußte ich die Antwort sofort: „Gauguin“. Allgemeines Lächeln, es ging ans Bezahlen, und mich hätte fast der Schlag getroffen, als der Buchhändler seine Kasse hervorholte.
Das Wort „Kasse“ ist schon weit übertrieben. Es gibt keine Registerkasse, nicht einmal einen dieser abschließbaren kleinen Blechkästen. Als "Kasse" dient ein mittelgroßer flacher Pappkarton (mit relativ gut verschließbarem Deckel allerdings). Der Buchhändler klappte seine „Kasse“ auf, und innen sah ich mehrere Plastikschälen (könnten mal größere Kekse drin gewesen sein) säuberlich aneinandergereiht, und darin sortiert ein bißchen Kleingeld! Das ist die Kasse!!!
Das es solche Läden noch gibt, und dann mitten in Berlin, grenzt an ein Wunder. Traumhaft!
Nun ja, die Kundin bezahlte, verließ den Laden mit ihrer Neuerwerbung, und ich war an der Reihe. Über der ganzen Warterei war mir der Titel des Buchs völlig entfallen und so brachte ich einen 1A-Titelverdreher, über den sich die Buchhändlerin sicher sehr gefreut hätte: „Ich habe da ein Buch in Ihrem Schaufenster gesehen: ‚Der erste Indianer’ oder so ähnlich.“
Nun ja, „Das Indianerlexikon. Die Welt der ersten Amerikaner von A-Z“ wäre zutreffender gewesen. Aber zum Glück ist das Schaufenster doch recht klein, und das betreffende Buch dank des bereits erwähnten leuchtendgelben Aufklebers doch eindeutig zu identifizieren. Übrigens stellte ich hinterher fest, daß es ausschließlich die Indianer NORDamerikas behandelt und ich es für meine schokoladige Arbeit gar nicht verwerten kann. Aber egal, bei 5 Euro für so ein Buch kann man wirklich nichts sagen, wie auch der sympathische Buchhändler bemerkte, als er das Buch glücklich hervorgeholt hatte.
Fazit: ungeplant 5 Euro ausgegeben und neue Lieblingsbuchhandlung entdeckt. Was will man mehr? :-)

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