Montag, 4. August 2008

Herbert!

Zwei Freundinnen machen einen Einkaufsbummel durchs KaDeWe und sind in der Abteilung „Abendkleider“ gelandet. Beide sind so zwischen 60 und 65.
Die eine hat ihr blondiertes schulterlanges Haar schön hochtoupiert und oberhalb des Nackens mit einer schwarzen Haarspange zusammengefaßt. (Der Kontrast grau-blondes Haar – schwarze Spange hat es in sich.) Sie trägt eine weiße Bluse und einen bunten Rock, der zehn Zentimeter oberhalb des Knöchels endet. In dem floralen Muster dominieren die Farben Rosa und Grün. Dazu trägt sie helle Schuhe, die zu einer Hose viel besser passen würden. Ich persönlich würde solche Treter wohl frühestens in 50 Jahren anziehen. Allerfrühestens. Insgesamt sieht sie nach Geld aus. (Wenn so „Geld“ aussieht, bleibe ich lieber arm.)
Ihre Freundin hat sich mit dem Ergrauen abgefunden und hat sich das silbrige Haar zu einer schicken Kurzhaarfrisur schneiden lassen. Ihre uni lilafarbene Bluse hat Freudenhausärmel und so ein Gedöns aus Fransen oder Rüschen an den Ärmeln. Ein bissel gewöhnungsbedürftig, steht ihr aber. Sonst keine Auffälligkeiten.

Gemeinsam begutachten und kommentieren sie die Abendkleider.
„Das ist aber schön!“
„Hach, ja! Wirklich!“
„Kuck mal, das würde dir stehen!“
„Hmhm.“
„Oh, schön!“
„Kuck mal, das würde dir stehen!“
Usw. usf.

Plötzlich: Panik. Die Toupierte vermißt ihr tragbares Schwarzes Loch.
„Meine Handtasche ist weg! Meine Handtasche! – Herbert! Herbert! Wo bist du denn?! Herbert!“
Herbert (unauffällig, normal langweilig angezogen – gehören die zwei wirklich zusammen?!) kommt angetrottet.
„Herbert, hast du meine Handtasche?“
Herbert hat die Handtasche nicht.
„Meine Handtasche! Meine Handtasche ist weg!“
Die Dame in Flieder bückt sich neben der zuletzt inspizierten Kleiderstange. Dort, zwischen dem Saum eines weißen Etwas, liegt das gute Stück (Leder, weiß) auf dem Boden.
„Hier ist sie. Wo du sie hingestellt hast!“
„Ach, und ich dachte schon ... puh. – Herbert, schau mal“, die Toupierte zeigt auf ein paar Ledersessel, „da kannst du dich hinsetzen. Setz dich hier doch einfach hin.“
Herbert setzt sich hin.

Die beiden Grazien begutachten die Kleider an der nächsten Stange. Die Toupierte gerät ob eines langen Abendkleids mit Spaghettiträgern, tiefem Ausschnitt und Leopardenmuster in Verzückung.
„Ist das schön! Ist das nicht schön?!“
Ich versuche kurz, sie mir in dem Kleid vorzustellen. Besser nicht. Ihre Leopardenzeit ist vorbei.

So geht das noch eine Weile. Die beiden lassen echt kein Kleid aus.
„Wo ist denn Herbert?“
(Schon wieder.)
„Der sitzt noch da vorne, der ist doch so geduldig.“
„Ach ja, der arme Junge.“
(Junge?!)

Ganz ehrlich: die Abendkleider waren ja teilweise ganz nett anzusehen, aber die beiden waren viel interessanter!

Keine Kommentare: